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Sprechende Grabsteine der Weltkriege

Sieht man die Namen, das Alter, die Geburtsorte auf den Grabsteinen der Gefallenen, so können auch wenige Worte Bände sprechen. 

Ehrenmal für die Kriegstoten beider Weltkriege in Boldixum

Mit der Rückseite zur Straße, am Rand des Friedhofs von Boldixum steht das Kriegerdenkmal für die toten Soldaten beider Weltkriege.

Ein "Sprechender" Grabstein nicht im herkömmlichen Sinne aber doch der besonderen Art ist das Ehrenmal für die Kriegstoten beider Weltkriege auf dem Friedhof von St. Nicolai in Boldixum.  Deren Geschichte wird in einem Artikel von Karin Hansen beschrieben (s.u.). 

 
Das ältere Monument in der Mitte des Denkmals steht am Ende des Hauptwegs in der Sichtachse zur Kirche. Das eckige Monument wurde aus Felssteinen aufgemauert. Die gestaltete Abdeckung und die kräftigen Platten der Inschriften sind aus Muschelkalk, ebenso wie der kleine Sarkophag, der das Monument krönt. Er steht auf Steinkugeln und hat an der Frontseite ein großes Eisernes Kreuz als Relief im Kreis.
 

Die sehr kunstvolle Inschrift in Zeilenbändern lautet: 1914 - 1918
Ihren im Weltkriege gefallenen Söhnen in Dankbarkeit gew[idmet].
Die Kirchengemeinde St. Nikolai. Nachträglich dazugesetzt, jeweils unter den Schmuckelementen aus Ringen, sechszackigem Stern und Blume, die Jahreszahlen des 2. Weltkriegs: 1939 - 1945. Vermutlich sind zu der Zeit auch erst die Jahreszahlen des 1. Weltkriegs aufgenommen worden.

Darunter werden in Schriftbändern die Namen der 100 toten Soldaten des 1. Weltkriegs geordnet nach ihren Heimatorten Wyk, Boldixum und Wrixum, aufgezählt – in Serifenschrift, phantasievoll abgekürzt, mit Lückenpunkten verziert, verspielt dekoriert und kunstvoll geordnet. Der Name des Hauptortes Wyk wird flankiert von zwei Eisernen Kreuzen im Kreis. Drei Brüderpaare sind unter der Überschrift »Gebrüder« extra hervorgehoben, die zwei Wyker Brüderpaare haben noch einen Zierbalken aus Blumenreliefs erhalten.

 

Gefallene aus Boldixum

Gefallene aus Wrixum

▲Ehrenmal-Inschrift im älteren Teil: „Ihren im Weltkriege gefallenen Söhnen in Dankbarkeit gewidmet, die Kirchengemeinde St. Nicolai“. Links und rechts des Ehrenmals für die Kriegstoten des Ersten Weltkrieges (100 Namen) je vier eingelassene Tafeln mit 260 Namen der Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges. Inschrift auf den beiden seitlichen Stelen, die ursprünglich den seitlichen Abschluss des älteren Ehrenmals bildeten:  Links unter dem Friesenwappen: „In Kampf und Not für uns in den Tod".  Rechte Stele: "Ihr Opfer die Saat für künftige Tat"

▲ Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Denkmal um die zwei Seitenflügel ergänzt. Die gestalteten Stelen wurden von den Seiten des ursprünglichen Monuments an die äußeren Enden der Flügel versetzt. In den Felssteinmauern sind jeweils vier konturierte Muschelkalktafeln eingelassen für die 260 Namen der toten Soldaten aus dem 2. Weltkrieg. In ähnlicher, aber kräftigerer Schrift sind die Namen jeweils in zwei Spalten wieder nach den Heimatorten geordnet. Diesmal wurden sie aber innerhalb der Orte alphabetisch geordnet, der Nachname wurde vorangestellt. Nach- und Vornamen wurden durch Punkte getrennt. Die Stelen haben jeweils ein konturiertes Eisernes Kreuz mit extrem langezogenem unteren Arm über den Großteil ihrer Fläche. Über den Seitenarmen steht im Schriftband jeweils eine Inschrift. An der linken Seite:

Im Kampf und Not
für uns in den Tod

Im runden oberen Abschluss ist hier das Friesenwappen dargestellt. 

 

Krone, Grütztopf und ein halber Adler

[Das friesische Wappen] entspricht nicht den heraldischen Regeln. Ein altes Wappen für ganz Nordfriesland gab es nicht, da nie eine geschlossene politische Einheit bestand. Es gibt Hinweise, dass dieses Wappen aus dem Umkreis des Pastors und friesischen Vordenkers Christian Feddersen (1786-1874) stammt, der bei seinen Landsleuten intensiv für die Erhaltung und Weiterentwicklung einer friesischen Identität warb. Er sprach sich dabei nachdrücklich gegen nationalen Hochmut aus. Die Liebe zum eigenen Volk müsse, so forderte er, stets mit Liebe zu allen Menschen einhergehen. Der im Wappen enthaltene halbe Adler bezieht sich angeblich auf die von deutschen Kaisern verbürgten Freiheiten der Friesen. Die Krone steht, so heißt es, für den dänischen König. Dem von ihm regierten Gesamtstaat gehörten die nordfriesischen Gebiete bis 1864 an. Der Grütztopf bildet ein Symbol der Brüderlichkeit, für die Christian Feddersen eintrat, der in einer sich seinerzeit entfaltenden internationalen Friedensbewegung mitwirkte.

Kriege haben auch die Insel Föhr betroffen

Quelle: ÜÜB FEER, Nr. 46/2015, Karin Hansen

 

....Aus den beiden Weltkriegen kennen wir Werke von Schriftstellern und Künstlern, welche mit eindrucksvollen Mitteln versuchten ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Viele Menschen aber sprachen niemals darüber und schleppten diese Last ein Leben lang mit sich. Etliche Familien zerbrachen dadurch. Auf Föhr waren die Menschen in der glücklichen Lage, nur ganz wenige Male von unmittelbaren Kriegshandlungen betroffen zu werden. Im dreißigjährigen Krieg wurde Dänemark von den kaiserlichen Truppen besetzt. Auf Amrum starben viele Menschen an der von den Soldaten eingeschleppten Pest. Als man auch Föhr erobern wollte, standen viele Menschen zur Verteidigung am Ufer, die Soldaten glaubten dort wäre ein großes Heer und zogen weiter nach Sylt. Dies berichtet der damalige Pastor von St. Johannis, denn an diesem Tag war die Beerdigung seiner Schwiegermutter und niemand nahm teil. Der Vater des ersten Wyker Fleckensvorstehers, Hans Köllner war unter König Christian IV Teilnehmer an diesem Krieg. Anfang des 19ten Jahrhunderts brachten die Auseinandersetzungen Napoleons mit England und den jeweiligen Verbündeten den Seehandelsverkehr nahezu zum Erliegen. Einige Föhrer Schiffer bekamen einen Eindruck von den Blockaden. Als sie aus dem Husumer Hafen segelten, tauchte plötzlich eine Reiterschar auf, Kosaken, welche ihnen bedeuteten sie sollen zurückkommen, was die Schiffer natürlich nicht taten. Die Föhrer verarmten durch diese kriegerischen Auseinandersetzungen, es folgte die erste Auswanderungswelle. Auch die Gründung des Seebades Wyk war eine Folge dieses wirtschaftlichen Niederganges. Einige wenige Seeleute suchten durch Kaperfahrten englische Schiffe zu erbeuten. Während des dänisch/englischen Krieges gerieten viele Seeleute unter den schlimmsten Bedingungen in englische Gefangenschaft. Dem Sturz Napoleons folgte die Französische Revolution, welche Europa große Umwälzungen bescherte, davon war besonders Deutschland betroffen. 1848 kam es, ausgehend von der Kieler Universität, zu der so genannten „Schleswig Holsteinischen Erhebung“, an diesem Krieg waren auch Bewohner Föhrs beteiligt.1864 führte Österreich mit dem militärisch gut gerüsteten Deutschland Krieg gegen Dänemark. Zwangsläufig verlor Dänemark diesen Krieg, Holstein ging an Österreich und Schleswig an Deutschland, die neue Grenze war jetzt die Königsau. Bei diesem Krieg ging es vor allem um den damals wichtigen Eiderkanal, der es den Schiffen ermöglichte, gefahrlos von der Nordsee in die Ostsee zu gelangen. Der Kreuzzollinspektor, Kapitänleutnant O. C. Hammer hatte die Aufgabe, das Fahrwasser mit Tonnen und Baaken für die Schifffahrt sicher zu machen, jetzt musste er die nordfriesischen Inseln gegen den Angriff der Feinde verteidigen. Der Bericht von Joachim Hinrichsen, „Ein Föhrer blickt zurück“ gibt ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Zeit. Die Insel wurde von steirischen Gebirgsjägern besetzt, zwei Soldaten verletzten sich bei einem Duell schwer und starben im Lazarett (heute Restaurant „Alt Wyk“). Auch blieben zwei „Besatzungskinder“ auf der Insel zurück. Nicht alle Kleinstaaten hatten sich in einem Bündnis mit Deutschland zusammen gefunden und so wurde zunächst 1866 Krieg gegen das Königreich Hannover geführt, der König floh ins Asyl nach Österreich, Deutschland legte die Hand auf den Welfenschatz und finanzierte damit 1866 den Krieg gegen den ehemaligen Verbündeten Österreich. Der deutsche Bund war nun mächtig genug um von 1870 bis 1871 Krieg gegen Frankreich zu führen, zusammen mit dem jetzt wieder Verbündeten Österreich. Nach dem Krieg wurde der Preußische König zum Deutschen Kaiser gekrönt. An allen diesen Kriegen waren auch Föhrer beteiligt, wie man auf einer Tafel in der St. Nicolai Kirche nachlesen kann. Nach dem Attentat in Sarajewo musste Deutschland mit dem verbündeten Österreich in den ersten Weltkrieg ziehen. Von 1914 bis 1918 tobte dieser Krieg, junge Föhrer zogen voller Begeisterung in den Krieg um „das Vaterland zu verteidigen“, sie glaubten nach wenigen Wochen siegreich zu sein, aber schon bald lernten sie den Schrecken des Krieges kennen, viele wurden verwundet, gerieten in Gefangenschaft, erlitten den „Heldentod“ für das Vaterland. Nach dem verlorenen Krieg begann eine große Notzeit für die Familien, mit totalem wirtschaftlichem Niedergang. Um diese Existenzunsicherheit zu beseitigen, wurden in Deutschland viele politische Parteien gegründet, welche mit Versprechungen Anhänger um sich scharten. Die erfolgreichsten waren die Nationalsozialisten, welche Arbeit und Wohlstand für alle Menschen versprachen. 1933, mit der „Machtübernahme“ durch diese Partei, sah zunächst alles sehr positiv aus, aber bald zeigte sich das wahre Gesicht.1939 brach der Zweite Weltkrieg aus, auf Föhr trafen Menschen aus dem Sudetenland ein, welche für einige Zeit im Hamburger Kinderheim untergebracht wurden. Nach der Bombardierung Hamburgs kamen viele Ausgebombte nach Föhr, denen man den erlebten Schrecken ansehen konnte. Gegen Ende des Krieges wurden mehrere Fährschiffe von feindlichen Flugzeugen beschossen, dabei kamen einige Personen ums Leben, ebenso bei den auf Föhr abgeworfenen Bomben; zum Glück fielen die meisten in die Feldmark. Durch am Strand angetriebene Munition verunglückten einige Kinder. Die Insel wurde gegen eine „Invasion“ gesichert, Besucher erhielten nur ausnahmsweise Zutritt. 1945 kam der große Strom von Flüchtlingen aus dem Osten Deutschlands und musste in den Häusern untergebracht werden. Schule, Hotels und Kinderheime wurden Lazarette für verwundete Soldaten. 1945 war der Krieg endlich beendet und die Insel wurde von den Engländern besetzt. Damit war das Kriegsgeschehen für einige Föhrer noch nicht beendet, aus der Kriegsgefangenschaft kehrten viele erst nach vielen Jahren auf die Insel zurück. Die Namen der in beiden Weltkriegen Gefallenen aus der St. Nicolai Gemeinde liest man auf der Gedenkstätte am Südende des Friedhofes in Boldixum. Einige Föhrer mussten später als U.S. Staatsbürger am Vietnam Krieg teilnehmen und kamen gebrochen in ihre Familie nach Föhr zurück. Auch die heutigen Kriege bewirken auf Föhr Veränderungen und wenn Flüchtlinge aus diesen Kriegsgebieten auf der Insel Wohnung finden, sollten wir daran denken, dass vor nicht langer Zeit die Not die Heimat zu verlassen auch das Schicksal vieler Deutscher war.

 

Wenn das Wort von Carl Sandburg „Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!“ eines Tages Wahrheit werden könnte, wäre es für die gesamte Menschheit ein Segen. Vielleicht aber wird das erst geschehen, wenn die Menschen sich selbst ausgelöscht haben.

 

 

Kriegerdenkmalsanlage auf dem Friedhof in Nieblum

Die Kriegerdenkmalsanlage für die toten Soldaten des 1. und 2. Weltkriegs liegt genau zwischen der St. Johanniskirche, die »Friesendom« genannt wird und dem Pastorat. Der Obelisk mit stumpfer Spitze ist mit bunten behauenen Feldsteinen ca. 4,5 Meter hoch aufgemauert. Er steht der Anlage vor und trägt die Widmungsplatten.

Die Kriegerdenkmalsanlage für die toten Soldaten des 1. und 2. Weltkriegs liegt genau zwischen der St. Johanniskirche und dem Pastorat. Der Obelisk mit stumpfer Spitze ist mit bunten behauenen Feldsteinen ca. 4,5 Meter hoch aufgemauert. Er steht der Anlage vor und trägt die Widmungsplatten. In die Frontseite des Obelisken sind vom Boden aus drei Steinplatten übereinander eingelassen. Die oberste – unter einem Schmuckbalken mit gebogenen Enden – trägt den Bibelspruch 11,25 aus dem Johannesevangelium: Wer an mich glaubt, der wird leben ob er gleich stürbe

Darunter ein Medaillon, das einen Soldatenkopf mit Stahlhelm im Halbrelief zeigt. Auf der mittleren Tafel steht die Widmung: Die dankbare St. Johannisgemeinde widmet diesen Ehrenfriedhof ihren in den Kriegen 1914 - 1918 und 1939 - 1945 gefallenen tapferen Söhnen. 

Da das Denkmal in den 20er-Jahren errichtet worden ist, musste diese mittlere Platte nach dem 2. Weltkrieg ausgetauscht worden sein. Die unterste Tafel zitiert unter einer Reihe aus drei Kreisen wieder einen Spruch aus dem Johannesevangelium, nämlich 15,13, darunter ein Kreuz mit je einem Kreis an den Seiten: Niemand hat grössere Liebe denn die dass er sein Leben lässt für seine Freunde

Vor dem Denkmal liegen in langen Reihen, angelehnt an Erdwälle die Namenstafeln der toten Soldaten. Außen die der Soldaten des 1. Weltkriegs. Nach dem 2. Weltkrieg kamen die zwei inneren Reihen dazu. Geordnet nach Herkunftsort werden Name, Geburtsdatum, Sterbedatum und Sterbeort genannt.

Denkmal im Sommer 2019
 

In die Frontseite des Obelisken sind vom Boden aus drei Platten aus Muschelkalkstein übereinander eingelassen. Die oberste – unter einem Schmuckbalken mit gebogenen Enden – trägt den Bibelspruch 11,25 aus dem Johannesevangelium: Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe. Darunter ein Medaillon, das einen Soldatenkopf mit Stahlhelm im Halbrelief zeigt. Auf der mittleren Tafel steht die Widmung: Die dankbare St. Johannisgemeinde widmet diesen Ehrenfriedhof ihren in den Kriegen 1914 - 1918 und 1939 - 1945 gefallenen tapferen Söhnen. Das Denkmal ist in den 20er-Jahren errichtet worden. Im September 1955, pünklich zum Volkstrauertag, wurde die mittlere Platte mit der Erweiterung zum 2. Weltkrieg ausgetauscht. Die untere Tafel zitiert unter einer Reihe aus drei Kreisen wieder einen Spruch aus dem Johannesevangelium, nämlich 15,13, darunter ein Kreuz mit je einem Kreis an den Seiten: Niemand hat grössere Liebe denn die dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Dieser Bibelspruch ist häufig auf Kriegerdenkmälern zu lesen. Die Buchstaben, die oberen drei Zeilen in Textbändern, das  Medaillon mit dem Soldatenkopf, das Kreuz und die Kreise sind erhaben aus dem Stein herausgearbeitet worden.

 

Weitere Gedenksteine

Widmung zwischen Sonnenblume und Eisernem Kreuz:

Anna Maria v. Wicht
geb. Heims
20.10.1892 - 26.06.1987
Ingeborg Msaria Else v. Wicht
geb. Twachtmann
22.08.1925 - 10.07.2015 

Zum Gedächtnis Heinz Ewald v. Wicht
Oberleutnant und Kompanieführer
in einem Pionier-Batl.

Inhaber des EK I
Geb. 17.8.1916 - Gef. 2.8.1941
Er ruht im Kreise seiner Kameraden in Pleskau/Russl.

Karl v. Wicht
18.09.1881 - 10.02.1954
Enno v. Wicht
03.07.1915 - 16.07.2007

geboren und gestorben in Bremerhaven

 
 
Dem großen Obelisken gegenüber steht – von einem hohen Busch umwachsen – ein Stein mit der Aufschrift: Zum Andenken an die durch Kriegseinwirkung verstorbenen Männer Frauen und Kinder. Meister Georg Graf bezeichnet ihn in seinem Angebot vom 16. Februar 1955 als Gedenkstein für die Heimatvertriebenen.
 
Gedenkstätte im Sommer 2019
 
 

Getötete Soldaten wurden zu Helden, der Krieg glorifiziert –

doch aus dem Kriegerdenkmal an der Nieblumer St.-Johannis-Kirche entsteht 2021/22 etwas Neues:

ein Mahnmal für den Frieden.


Der Friedhof rund um die St.- Johannis-Kirche in Nieblum auf Föhr ist bekannt für seine „sprechenden Steine“: pittoreske Grabsteine aus früheren Jahrhunderten, von Touristen besucht und bestaunt. Weniger bekannt ist das Ehrenmal, das im Westen der Kirche angelegt ist. Nun 2021/22 wurde es neu gestaltet – weil die Bausubstanz marode war und die Sinngebung beklommen machte. Im Osten, nahe der Kirche, ragt meterhoch ein Obelisk auf, mit Stahlhelm-Relief und Bibelzitat. Richtung Westen, dort, wo etwas weiter weg das Pastorat steht, liegen 77 Gedenksteine: Platten mit den Namen von getöteten Soldaten beider Weltkriege. Die des Ersten außen, die des Zweiten innen – aufgereiht wie Gläubige in einem Kirchsaal, mit dem Obelisken als Altar. Der Historiker Stephan Linck, Studienleiter für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit an der Akademie der Nordkirche, wurde von der Föhrer Kirchengemeinde gebeten, die Sanierung des Ehrenmals zu begleiten. Die Inschriften auf dem „Altar“ verbrämten den Opfertod, sodass die Frage entstehe: Werden hier Menschenopfer dargebracht? Gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat und den Vorstehenden der umliegenden Dörfer wollte Pastorin Kirsten Hoffmann-Busch diesen Zustand ändern. Die Anlage war ab den 1920er-Jahren angelegt worden; mittlerweile hatte die Witterung dafür gesorgt, dass die Inschriften der Grabsteine kaum mehr zu entziffern waren. Doch so, wie es angelegt sei, war es deutlich eine Heldenverehrung. Und davon wollte man wegkommen. „Es seien ausschließlich Soldaten und Männer, derer hier gedacht werde. Sie seien getötet worden, weil ein Regent es so bestimmt habe. Da sei kein Heldengedenken angebracht“, so Hoffmann-Busch: „Kriege sind ideologische Kriege; das gemeine Volk wird dazu benutzt, deren Interessen durchzusetzen. Wer sich weigert, wird entweder mundtot gemacht oder ermordet. Wir wollen deutlich machen, wie schrecklich und beklemmend Krieg ist.“ Außerdem soll künftig auch der zivilen Opfer der Kriege gedacht werden – auf Föhr sind das beispielsweise Frauen und Kinder, die ums Leben kamen, als Fliegerbomben eine Fähre trafen und versenkten. Zudem werde des Schicksals einer russischen Zwangsarbeiterin mitsamt Kind auf der Insel gedacht. Die folgenden Bilder zeigen den Baufortschritt im Mai 2022.


Quelle: Ev. Zeitung für Schleswig-Holstein

Baufortschritt im Mai 2022

Der Künstler Axel Richter vom KunstHaus am Schüberg wurde beauftragen, seinen Entwurf für eine komplette Neugestaltung der Anlage umzusetzen. Richter beschreibt seinen Entwurf wie folgt: "Die künstlerische Herausforderung besteht in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird darauf hingewirkt, dass der alte Schattenkirchenaufbau der Anlage mit dem Obelisken als seinem Zentrum gebrochen wird. Die 77 zu erhaltenden Grabsteine aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg werden in einem U-förmigen doppelreihigen Magazinaufbau die Sichtwirkung des Obelisken eindämmen. Die Steine werden als Namenswand komprimiert sichtbar und so der Opfer-Propagandawirkung des Obelisken seine Wirkung nehmen. Ergänzt werden die Namen der Frauen und Kinder, die durch das faschistische Verbrechen auf der Insel ihr Leben einbüßten. Zum anderen wird der Friedhof als Lebensort neu definiert. Das alte tiefergelegte Anlagennievau wird mit Erdreich aufgefüllt und so der umliegenden Friedhofsrasenfläche angepasst. Eine Freifläche entsteht, die als Begegnungsraum genutzt werden kann. Aus dieser Rasenfläche erhebt sich keilförmig eine Schräge, die das Steinmagazin frontal einfasst. Diese Fläche ist bis an die obere Abbruchkante begehbar und eröffnet so den Blick in den Graben, in den Abgrund des Grauens der Geschichte. Es besteht aber auch die Möglichkeit, in dieser erhöhten Schräge auf Bänke sitzend, den Blick über Gräber hinweg in die Landschaft schweifen zu lassen. Das Leben eingedenk der Vergänglichkeit – der Friedhof als freier Lebensort. Das Magazin besteht aus einer witterungsbeständigen Stahlträgerkonstruktion und Sichtplatten mit eingeschriebenen Namen der Verstorbenen als Ergänzung zu den verwitterten Steinschriftzügen. Zudem besteht die Möglichkeit ein Friedenswort einzuprägen." Ergänzend sollen erklärende Tafeln aufgestellt werden, die die einstige Sinnstiftung erklären und in das historische Geschehen einordnen. 

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